Die grundlegende Annahme der Klientenzentrierten Psychotherapie ist, dass der Mensch eine angeborene Neigung zu konstruktiver Veränderung, kreativem Wachstum und sinnhafter Selbstverwirklichung besitzt. Zu dieser Erfahrung gelangte Carl Rogers, der Begründer der Klientenzentrierten Psychotherapie (auch personenzentrierte bzw. Humanistische Gesprächspsychotherapie genannt), in jahrzehntelanger Praxis und Lehre zwischen den 1940er und 80er Jahren. Die oben genannte Neigung sorgt – unter günstigen Umständen – dafür, dass sich die Persönlichkeit des Menschen weiterentwickelt und reift. Wenn das Bild, das ein Mensch von sich hat und das auf seinen Erfahrungen mit sich und seiner Umwelt basiert, aber nicht mit seinem Erleben übereinstimmt, kommt es zu Spannungen und Konflikten. Zum Beispiel wenn wir bestimmte Gefühle und Gedanken nicht zulassen können. Im Ergebnis zeigen wir Reaktionen, die wir nicht wollen oder steuern können, z. B. Erröten und Schweißausbrüche, oder die der Situation nicht angemessen sind.
Ziel der Klientenzentrierten Psychotherapie ist die Korrektur von Fehlentwicklungen wie diesen, also die reifere emotionale Anpassung an aktuelle Geschehen. Und
zwar dadurch, dass Selbst/Selbstbild und Erleben wieder in Übereinstimmung gebracht und kongruent werden. Zugleich gelangen wir dadurch zu einem höheren Maß an Selbsterkenntnis, Bewusstheit und
Authentizität sowie einer verbesserten psychophysischen Balance, Resilienz und Selbstregulationsfähigkeit.
Im Zentrum der Therapie steht das Entdecken und achtsame Erkunden der ganzheitlichen subjektiven Erlebniswelt des Klienten – samt seinen Potenzialen, aber auch Dissonanzen, Konflikten oder
Traumata. Die spezielle therapeutische Beziehung unterstützt ihn dabei, mit seinen entfremdeten oder abgelehnten psychischen Aspekten wieder in Kontakt zu treten und sie schließlich zu
reintegrieren.
Die gute Nachricht, die Rogers ebenso stichhaltig gewann: Jeder Mensch trägt sämtliches Potenzial, das zu seiner Heilung notwendig ist und ihn aus seinem Leid
hinausführt, bereits in sich. Er ist außerdem selbst am besten in der Lage, seine persönliche Situation zu analysieren, Lösungen für seine Probleme zu erarbeiten und vor allem: zu wissen, was für
ihn gut und richtig ist. In der Therapie geht es darum, genau diese konstruktive Lösungsfindung (wieder) zu aktivieren, die zuvor destruktiven Muster zunächst bewusst zu machen und sie dann als
nicht mehr notwendig loszulassen.
Im Mittelpunkt der therapeutischen Interaktion steht der Klient in seiner biologischen, biografischen und sozialen Bedingtheit mit seinen höchst persönlichen
Gefühlen, Wünschen, Wertvorstellungen und Zielen. Ihn in dieser Gesamtheit seiner Individualität vollkommen zu akzeptieren und wertzuschätzen, ist einer der Grundsätze für den Therapeuten und
zugleich ein wesentliches Erfolgskriterium der Klientenzentrierten Psychotherapie. Damit einhergeht, dass sich der Therapeut mit eigenen Interpretationen, Bewertungen oder Lösungsvorschlägen
zurücknimmt und keinerlei, womöglich manipulativen Einfluss ausübt.
Ein Lieblingszitat von Rogers, das alle seine Überzeugungen auf den Punkt bringt und von ihm selbst stammen könnte, ist von Lao-tse und lautet:
„Wenn ich Menschen nicht dazwischenfahre, passen sie auf sich selbst auf, wenn ich Menschen nicht befehle, verhalten sie sich von selbst richtig. Wenn ich Menschen nicht predige, werden sie von selbst besser, wenn ich mich Menschen nicht aufdränge, werden sie sie selbst.“